Wir beten täglich das Vaterunser:
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Für uns ist die Blickrichtung klar: Der Himmel ist oben, Gott ist oben, und seit seiner Himmelfahrt sitzt auch Jesus zur Rechten Gottes, wie es im Glaubensbekenntnis ausgesprochen wird. Und beide, so empfinden wir manchmal, befinden sich recht weit weg von unserem täglichen Leben.
Himmel und Erde sind getrennte Bereiche, meinen wir.
Himmel ist dort oben, wir sind hier unten; in den alten Kirchenliedern wird dieses unten oft sehr eindrücklich als „Jammertal“ beschrieben.
Die Sänger und Sängerinnen drücken ihre Sehnsucht aus, dieses Jammertal so schnell wie möglich zu verlassen, um dort im Jenseits, wie sie meinen, im Himmelreich leben zu dürfen. Ein Reich, das sie oft in den schönsten Farben ausmalen. Am schönsten vielleicht Paul Gerhardt in den letzten Strophen seines Liedes „Geh aus, mein Herz und suche Freud“.
Für die Menschen in früheren Zeiten war das Himmelreich oft identisch mit dem Jenseits, dem Ort, an dem die Verstorbenen sich versammeln, wo Gott und die Engel wohnen, das himmlische Paradies. Dorthin konnte man nur gelangen, wenn man gestorben war.
In den Evangelien erfahren wir über das Himmelreich jedoch meist etwas anderes. Jesus sagt: Mit mir ist das Himmelreich angebrochen, das Reich Gottes, wie er es auch bezeichnet, ist ganz nah. Und sogar: Das Reich Gottes ist in euch!
Das Himmelreich ist also nicht (nur) „dort oben“, nicht in zeitlich weiter Ferne, oder erst nach dem Tod erfahrbar. Seit Jesu Geburt existiert das Himmelreich mitten unter uns. Wir leben jetzt schon im Reich des Himmels. Und das schon auf der Erde, während wir mit beiden Beinen im Leben stehen.
Alle die getauft wurden und glauben gehören zu diesem Himmelreich auf Erden. Es gibt für sie keine Trennung zwischen oben und unten oder zwischen jetzt und später, zwischen Leben und Tod.
Erkennbar wird dieses Reich Gottes an der Liebe, die Menschen sich entgegenbringen. Vor allem die Briefe und das Evangelium des Johannes ermutigen: Liebet eure Brüder und Schwestern.
Und Jesus setzt in seiner Bergpredigt noch eins drauf: Liebet euren Nächsten (das sind die, die gerade neben euch stehen) und sogar: Liebet eure Feinde. Auch sie sind Geschöpfe Gottes, von ihm geliebt.
Und der Johannesbrief stellt fest: Wo die Liebe wohnt, da wohnt Gott. Jetzt schon, nicht erst später.
Das Himmelreich ist mitten unter uns, jetzt schon, und wir gehören dazu, wir sind seine Bürger, davon ist der Apostel Paulus überzeugt, haben alle Rechte, die Bürger dieses Gottesreiches auszeichnen. Es ist ein Reich mit offenen Grenzen. Jede und jeder, die/der aus dieser Liebe Gottes lebt, kann dazukommen, dabei sein, mitmachen.