Predigt zum 26. April 2020

Predigttexte zum Sonntag der Barmherzigkeit:

11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. 12 Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie –, 13 denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. 14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, 15 wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. 16 Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.

21 Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; 22 er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; 23 der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet; 24 der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden . 25 Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.


Liebe Gemeinde, es gibt den Hirtensonntag, den Sonntag der Barmherzigkeit des Herrn. Mir gefallen dabei die Bilder, auf denen Jesus ein Lamm im Arm trägt. Das wirkt so fürsorglich. Manchmal sehne ich mich nach so einem Hirten, der für mich sorgt.

Freilich: Meine Pubertät liegt lange hinter mir und ich weiß recht gut, dass ich für mich selbst sorgen muss. Manchmal muss ich auch für Menschen sorgen, die mir anvertraut sind oder sich mir anvertraut haben. Aber diese Grunderfahrung: Dein Leben musst du selber leben, das tut kein anderer für dich, ist erstens unentbehrlich und zweitens das einzig Wahre.

Freilich: Wir leben in Zeiten von Corona. Da begegne ich vielen Menschen, die sich einen Hirten wünschen, der für sie sorgt. Und ich erlebe auch Menschen, die in diese Hirtenrolle nur zu gerne hineinschlüpfen, denn ein Hirte sorgte ja nicht nur für die Schafe, er sagt auch, wo es lang geht, er hat das Sagen, er herrscht. Wer das mag, für den sind goldene Zeiten angebrochen. Mancher lässt sich durch Corona krönen.

Die Härte ist natürlich, dass Jesus von sich sagt, er sei der gute Hirte und – jetzt kommt die Härte: – er ließe sein Leben für die Schafe. Das passt jetzt jenen, die gerne in Führungsrollen schlüpfen, gar nicht. Wer lässt schon gerne sein Leben für andere. Man lässt es ja nicht einmal gerne für sich, weil man dann eben nicht mehr lebt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jesus gehörte auch zu denen, die nicht gerne ihr Leben für andere ließen. Jesus gehörte auch zu jenen, die gerne lebten. Jesus wäre gerne der Gefahr ausgewichen, damals, im Garten Gethsemane, als die Verhaftung drohte – und man weiß ja, was in autoritäreren Staaten Verhaftungen bedeuten.

Wir können also davon ausgehen: Wenn Jesus nicht vor 2000 Jahren Mensch geworden wäre, sondern sich ergeben hätte, dass jetzt die Zeit gekommen wäre, dann… dann wäre er nicht vor Corona zurückgeschreckt. Vielleicht wäre er vorsichtig gewesen, hätte Sicherheitsabstand eingehalten, hätte einen Mundschutz getragen…

Ach, da fällt mir ein: unsere Kirchenobersten waren nicht besonders kreativ, als es um Gottesdienste in Corona ging. Jesus beispielsweise hielt schon ganz am Anfang in Kapernaum einen „Distanzgottesdienst“: Er ließ sich ein paar Meter auf den See fahren und predigte von dort. Da hätten sich jetzt die Leute auch in kleine Schiffe (Familie plus ein Außenstehender) setzen können. Der Mindestabstand wäre gewahrt gewesen und man hätte gemeinsam gesungen: „Michael, row the boat ashore…“ Der Brombachsee wäre prima gewesen, der Rothsee, auch der Wöhrdersee, selbst der Kanal wäre in Frage gekommen. Gottesdienst nicht als Brückengottesdienst, sondern als Kanalgottesdienst? Man könnte mal drüber nachdenken, auch ohne, dass Jesus persönlich erscheint.

Jesus wäre der Gefahr nicht ausgewichen, aber er hätte sich auch nicht ins Getümmel gestürzt. Schließlich wollte er die Herde schützen. Die Herdenimmunität hätte er sich lange überlegt: Da bringen die Opfer in der Regel die Schwachen – und für die Schwachen war er Mensch geworden.

Der gute Hirte in Zeiten von Corona? Darüber lässt sich nachdenken,

Ihr Pfarrer Volker Schoßwald