Predigt über Johannes 20,19-23
Wenn es wieder milder wird in diesen Tagen, lasse ich gerne Zuhause die Fenster und Türen offen.
Ich mag das, wenn die Wohnung durchlüftet wird, die Wärme, die Gerüche des Frühlings von draußen nach drinnen kommen.
Da passiert es aber auch mitunter, dass ein kräftiger Windstoß ein Fenster ganz aufreißt, die losen Blätter auf meinem Schreibtisch durcheinanderwirbelt und auf den Boden fegt. Und ich dann erst wieder sichten und in Ordnung bringen muss.
Wie das damals war, als Gottes Geist hindurchgewirbelt ist durch jenes Haus, in dem sich die Jünger versteckt hatten?
Wie selbst durch verschlossene Türen, diese unglaubliche Lebenskraft, die Jünger ergreift, ihr Brausen, sie innerlich wachrüttelt.
Gottes Kraft, die von Beginn an über den Wasser schwebte und uns Menschen das Leben eingehaucht hat.
Ob damals die Jünger es sehen, begreifen: welche Kraft noch in ihrem kleinen Glauben steckt?
Die Kraft des Lebendigen, des Auferstandenen von seinem Wort, das ewig gültig ist: ich bin da, in all meiner Liebe für euch.
Ob sie auch begreifen: wir sind noch am Leben…wir haben eine Aufgabe, es ist Zeit, unsere Herzen! unsere Türen zu öffnen!
so erzählt es die Apostelgeschichte, aber auch das Johannesevangelium auf seine Weise als Oster- und Pfingstgeschichte.
Johannes 20,19-23:
Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche,
als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren
aus Furcht vor den Juden,
kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen:
Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch!
Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, hauchte er seine Jünger an und spricht zu ihnen:
Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben. Und wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Hinter verschlossene Türen kommt der Auferstandene zu den zerstreuten und gebeutelten Jüngern, damit sie nach all den aufwühlenden Ereignissen sich wieder öffnen, neu wahrnehmen, und tun, was nötig ist.
Wie viele es auch in diesen Monaten bei uns in Europa, in der ganzen Welt sich wünschen,
dass gesehen wird, was nötig ist, dass Kräfte mobilisiert werden, man einander bewegen kann, um hindurchkommen durch diese immer noch schwer zu kontrollierende Krankheit und die anderen Katastrophen.
Fragen über Fragen werden aufgeworfen werden, nach Gründen und Ursachen, Schuld und Verantwortung und was am besten zu tun ist…
als würde die ganze Welt durchgerüttelt und durchgeschüttelt werden.
Vieles kommt jetzt an die Oberfläche, was im Untergrund war.
Wenn man es setzen lässt, wird manches deutlicher.
Was es braucht, dass wir als Gesellschaft gut miteinander leben,
und wer alles dazu beiträgt, dass es so ist.
Wie viele erst jetzt diese Wertschätzung bekommen.
Türen sich öffnen, Der Wille da ist, in Zukunft einiges zu ändern und bereitzustellen. Weltumspannend.
Denn wie viele Länder sind nicht in der Lage, ihre Schwächsten aufzufangen. Kranke zu behandeln, Hunger zu stillen, für Bildung zu sorgen
Weil die Egoismen und Nationalismen der Stärkeren auf dieser uns anvertraute Erde Unfrieden bringen.
Der Geist von Pfingsten rüttelt uns auf, wach zu werden, neu hinzusehen, was Frieden schafft.
„Seit um dreiviertel sieben, bin ich heute schon in der Schule. Um das Material für die Kinder vorzubereiten“, erzählte eine Kollegin am Montagmorgen in der Notbetreuung.
„Das geht jetzt durch seit Wochen. Ich kann bald nicht mehr. Mit den Familien sind wir im Kontakt, aber oft, wenn du anrufst, ist das Gespräch nur schwer möglich; im Hintergrund läuft der Fernseher, ist Kindergeschrei, oder die Eltern noch im Bett. Mit unseren Kindern können wir oft gar nicht in Ruhe reden, nicht allein. Aber was schön ist: Manche Eltern sagen, wir sind so froh, dass die Kinder wieder in die Schule können. Wir sehen jetzt, was Ihr da in der Schule leistet.“
Wie viele In der Krise diesen Geist spüren, der an uns rüttelt, uns auch zusammenrücken lässt?
Im stärkeren Bewusstsein für den anderen.
Wahrzunehmen: Wie manche Kinder leben, oft auf sich gestellt sind.
Und dann kommt Kraft, um aufzustehen, und zu tun, was unsere Aufgabe ist.
Diese Lehrerin steht auf, auch wenn sie müde ist.
Sie rüttelt an der Trägheit der anderen, kümmert sich um die Kinder,
und Eltern nehmen neu war, können wertschätzen, wie sie unterstützt werden.
Ob der Geist Gottes uns sehen lässt, wie in all dem der Auferstandene verborgen ist und rüttelt, auch wir aufstehen, dass Frieden wird.
Friede mit uns! Friede in unserem Herzen!
Weil sich hinter manchen verschlossenen Türen, vieles anstaut an Frust, Ärger, Erschöpfung, Sorge, Einsamkeit…oder vielen die Luft ausgeht, durchzuhalten, dieGeduld zu behalten, das Verständnis.
Manche dann auf ihren Grundrechten beharren, machen zu können, was sie wollen oder die Krise nutzen, um andere zu bekämpfen, zu hetzen und Unwahrheiten zu verbreiten.
Das schafft Unfrieden!
Dass sich die eine oder andere geöffnete Türe wieder verschließt.
Friede sei mit euch, sagt der Auferstandene.
Er rüttelt uns auf, hellwach zu sein und ihn wahrzunehmen, sich ihm zu öffnen.
Seinen Händen, die sich nicht zur Faust ballen zur Rache, sondern sich nach uns strecken, zur Versöhnung,
seine Seite, die verwundbare Seite seines Herzens, die auch uns sieht, in unserer Verletzlichkeit und Bedürftigkeit, und all die Seiten von uns kennt, die uns ausmachen, uns liebenswert machen.
So kommt er hinter die Türen unseres Herzens, damit der Hauch des Lebens, die Liebe unsere Räume erfüllt, mit Frieden und Versöhnung.
Und seine Kraft durch uns alle dringt, uns aufrichtet, aufbaut, erleichtert.
In diesen Wochen sind so viele Türen aufgegangen trotz oder gerade wegen der Krise.
Herzenstüren, Balkontüren, unsere Kirchentüren, Türen in der Nachbarschaft, Briefe, Anrufe, die ermutigt haben.
Ob da ein neuer, anderer Geist, manche wachgerüttelt hat, wahrzunehmen, was gut tut in so einer Zeit und auch im normalen Leben.
Jeder von uns wird spüren, wo in seinem Leben gerüttelt wird.
Wir können auf den anderen, auf die andere zuzugehen:
auf die Eltern, die Kinder, die Nachbarn. einen Fremden, einen Freund.
So wie es der Auferstandene uns mitgibt: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Friede sei mit euch! Amen.