Ich bin mit dem, wegen seiner „schwarzen Pädagogik“ in Verruf geratenen, Kinderbuch Struwwelpeter aufgewachsen. Dort gibt es die Figur des Hans-guck-in-die-Luft. Den fand ich mir am ähnlichsten. Wie dieser Hans sah ich nicht auf meinen Weg, sondern am liebsten in den Himmel, auf die Wolken, auf alles, was sich dort oben abspielte. Natürlich hatte Hans seinen Schaden davon und musste schließlich ins Wasser fallen. Mir blieb bis jetzt, zum Glück, ein vergleichbarer Unfall erspart.
Der Herbst ist für jeden Hans-guck-in-die-Luft eine wahre Freudenzeit. Was sich da am Himmel abspielt ist einfach unglaublich. Wind aus wechselnden Richtungen lässt die aufgebauschten Wolken ständig ihre Formation ändern. Oft genug streben dichte Wolkenbänke in unterschiedlichen Höhen in unterschiedliche Richtung. Dann bricht an einem schwarz verhangenen Himmel plötzlich die Wolkendecke auf und die Sonne strahlt wie auf Bildern von Caspar David Friedrich mit einem goldenen, ja göttlichem Glanz, auf die Erde. Einem leidenschaftlichen Wolkenbetrachter wird im Herbst nie langweilig werden.
Heute brauchen wir nicht mehr, wie früher, den Himmel zu beobachten, um zu wissen, wie das Wetter sich entwickeln wird, ob Regen oder Sonnenschein auf die Felder fällt, die uns einmal mit Nahrung versorgen soll. Auch die Bauern haben heute ihre Wetter-App. Doch auch die kann nicht verhindern, dass manchmal kein Wölkchen am Himmel auszumachen ist oder heftiger Regen die Getreidefelder „verhagelt“.
Wolken sind faszinierende Geschöpfe. Wunderwerke der Natur. Sie laden ein zum Staunen, sich wundern, sie sind ein Abbild der Vielfalt der Schöpfung Gottes. Und auch das Flüchtige, Unbeständige der Wolken hat den Menschen schon immer zu denken gegeben.
In der Bibel werden die Wolken leicht übersehen. Aber sie spielen auch dort hin und wieder eine wichtige Rolle. Erstmal erwähnt werden sie in der Geschichte mit Noah, zunächst nur indirekt bei der Sintflut, als sich die Fenster des Himmels über 40 Tage und Nächte öffnen und das Leben auf Erden in riesigen Wassermengen versinken lassen. Doch dann reißt auch diese schwarze, verderbenbringende Wolkenwand auf. „Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt“, mit diesen Zeichen schenkt Gott den Menschen nach der Sintflut einen neuen Anfang: „Meinen Bogen soll man sehen in den Wolken.“
Später dann führt Gott das Volk Israel aus Ägypten heraus in einer Wolken- und Feuersäule. Gott begegnet Mose auf dem Berg in Gestalt einer Wolke, er hüllt Mose schützend ein, Gott verhüllt sich, damit Mose nicht sterbe. Er erhält die Tafel mit den zehn Geboten, die dem Leben der Menschen Orientierung geben sollen, damit alle in Frieden leben können. Im Buch Hiob preist Elihu Gottes Macht, als Schöpfer mit dem Bild der Wolken: „Er zieht empor die Wassertropfen und treibt seine Wolken zusammen zum Regen, dass die Wolken überfließen und Regen senden auf die Menge der Menschen. Wer versteht, wie er die Wolken türmt und donnern lässt aus seinem Gezelt?“
Natürlich finden sich noch mehr Wolkenbilder in der Bibel. Der auferstandene Jesus, zum Beispiel, wird von einer Wolke in den Himmel aufgenommen. Wer will kann sich auf die Suche machen. Mit einer so genannten Konkordanz, die alle „Wolkenstellen“ auflistet, lassen sich diese biblischen Verse leicht finden.
Mein schönstes, liebstes „Wolkenbild“ findet sich in den Psalmen: „Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.“ Ich sehe mich bei diesem Bild sofort in einen Urlaub ins italienische Umbrien, die Heimat von Franz von Assisi zurückversetzt. Der Anblick des Himmels mit seinen meist in der Sonne hin- und herziehenden weißen, beinahe bayrischen Wolken, konnte mir das Herz weit werden lassen. Ein schwer zu beschreibendes Gefühl der Großzügigkeit, der Freiheit, und gleichzeitig der inneren Ruhe und Zufriedenheit, stellt sich heute noch ein, wenn ich mich daran erinnere oder wieder auf diesen Psalmvers stoße.
Es lohnt sich hin und wieder in die Luft zu gucken! Der Himmel könnte sich uns öffnen und Gottes Stimme zu hören sein, wie bei der Taufe Jesu: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter. An dir, an deinem Leben, habe ich meine allergrößte Freude!