Der Predigttext zum Sonntag Jubilate steht bei Johannes 15,1-8:
1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. 2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. 6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. 8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.
Liebe Gemeinde,
Weinstöcke erleben wir eher selten.
In der Gegend, in der Jesus lebte, kam man oft an kleinen Weinbergen vorbei. Jeder kannte diese seltsam knorrigen Stämme, die wie tot wirkten und dann doch kleine grüne Blätter zeigten.
Ein Weinstock sollte gepflegt werden. Die Triebe werden jedes Jahr gestutzt. Neue Kraft soll durch neue Triebe gehen. Wo sich nichts Grünes mehr regt, schneidet man das Vertrocknete lieber ab. Dann strömt die Kraft in die richtigen Wege und es wachsen die Trauben.
Jesus geht es hier um zwei Dimensionen. Die erste ist: Früchte wachsen nur an einem Weinstock. Wenn man eine Rebe abschneidet, wird dort keine Traube mehr wachsen. Trauben wiederum bestehen aus vielen Beeren. Die Beeren wachsen nicht einzeln wie Apfel und Birnen.
So sieht er es auch für uns Menschen: Die Gemeinschaft hält uns am Leben. Vereinzelt gehen wir ein. Gott, den Vater zeichnet er als den, der stutzt: Das Vertrocknete, die Vertrockneten schneidet er ab.
Manche haben in der Coronazeit verstärkt gemerkt: Ich will anderen Menschen begegnen. Ich will mich austauschen. Dabei können wir uns fragen: Was verbindet uns denn? Will ich mich wirklich mit jedem Menschen, der mir über den Weg läuft, austauschen? Nein, es muss etwas sein, das uns verbindet, damit wir miteinander reden wollen.
Für uns in der Kirche ist es seltsam, keine Gottesdienste feiern zu dürfen. Man kann sich auch fragen, ob diese rigide Art der Vorsichtsmaßnahme angemessen ist. Wir haben viel gelernt über Corona in den letzten Wochen. Ich habe dabei auch gelernt, wie schwankend das Wissen ist. Und ich habe gelernt, auf die „Nebenwirkungen“ des Shut-Down zu achten. Macht der Shut-Down krank? Manche beschreiben es so, nicht nur für Kinder.
Nächste Woche wäre bei uns Konfirmation gewesen. Stattdessen habe ich meine Konfirmanden seit Wochen nicht mehr gesehen oder gesprochen und auch untereinander ist der Kontakt rigoros beschnitten. Dabei wünsche ich mir gerade für unsere jungen Menschen, dass sie Gemeinschaft erfahren und bilden können, dass sie erleben: Mit Gott zu leben bedeutet, Gemeinschaft zu erfahren, dass sie sich als Beere in der Traube am Weinstock gut aufgehoben fühlen.
Wir wissen noch nicht einmal, wann diese große Feier nun endlich stattfinden kann. Dabei waren wir auf einem guten Weg. Es ist, als wären wir gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.
Wir wurden vom Weinstock abgeschnitten. Wird unsere Gemeinde diese harte Zeit überleben? Die Hoffnung ist, dass man uns wieder einpfropfen kann. Aber ob das gelingt?
Der Punkt, an dem der „Weinstock“ zusammen kommt, ist der Gottesdienst. Da ist Christsein konzentriert. Da fließt die „Gute Botschaft“, das Evangelium als Kraftsaft durch die Reben in die Trauben in die Beeren.
Der Weinstock wird nur bleiben, wenn die Trauben bleiben, wenn die Beeren bleiben, wenn wir zusammenbleiben.
Ich habe in der Coronazeit gelernt: Angst verbindet. Aber Angst ist keine gute Lebensgrundlage. Kann Hoffnung verbinden? Ja, wenn es eine gemeinsame Hoffnung ist.
Meine Hoffnung ist, dass sich die Liebe Gottes, die er in Jesus gezeigt hat, durchsetzt und alles durchströmt. Die heilsame Kraft, die davon ausgeht, ist stärker als die hoffnungslose Ängstlichkeit, die wir Menschen so gerne schüren.
Ihr Pfarrer Volker Schoßwald